Jair Bolsonaro: Brasilien flirtet mit der Diktatur



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Das Land schien stabil, die Demokratie gefestigt. Das politische System war zwar von Korruption zerfressen, doch die Institutionen funktionierten. Die letzte Diktatur lag mehrere Jahrzehnte zurück; alle vier Jahre wurde gewählt. Zwei große Parteien, Konservative und Sozialdemokraten, wechselten sich regelmäßig ab.

Dann wurde plötzlich ein autoritärer ehemaliger Fallschirmspringerhauptmann zum Präsidenten gewählt. Er hatte keine Partei hinter sich, nur eine Bewegung, gespeist aus dem Hbad auf das System.

Politisch war er Neofaschist, Rückhalt hatte er im Militär. Seine Anhänger verehrten ihn wie einen Messias; er versprach gegen die Korruption zu kämpfen und die politischen Eliten zu zerschlagen. Er berief sich oft auf Gott, der ihn mit der Mission betraut habe, seine Nation vor dem Untergang zu retten.

Das war: Hugo Chávez, der 1999 zum Präsidenten von Venezuela gewählt wurde, er blieb bis zu seinem Tod 2013 an der Macht. Er bekämpfte weder die Korruption, noch stärkte er die Institutionen.

Die Parallelen zwischen Chávez und dem Aufstieg des ehemaligen Fallschirmspringerhauptmanns Jair Bolsonaro zum frisch gewählten Präsidenten Brasiliens sind verblüffend. Bolsonaro war in seinen jungen Jahren ein Fan von Chávez. Er teilte mit ihm die Verachtung für das politische Geschachere und die Bewunderung für alles Militärische.


Hugo Chávez, Ex-Machthaber Venezuelas, gestorben 2013


REUTERS

Hugo Chávez, Ex-Machthaber Venezuelas, gestorben 2013

Diktatorische Machthaber linker und rechter Couleur, Caudillos genannt, prägen die Geschichte Lateinamerikas seit Jahrhunderten. Sie können gedeihen, weil die Demokratie und der ihr innenwohnende Gleichheitsgedanke von den herrschenden Eliten nie wirklich akzeptiert wurde. Lateinamerika hat kein Bürgertum, das diesen Namen verdient.

Es ging den Eliten immer darum, ihre Privilegien zu bewahren. Sie haben kein Interesse daran, dbad sich der Aufklärungsgedanke, der untrennbar mit der Demokratie verbunden ist, bei den Mbaden durchsetzt. So bereiten sie ungewollt den Humus für selbsternannte Erlöser und Vaterlandsretter.

Caudillos leben von den Heilserwartungen ihrer Anhänger. Sie sehen sich in göttlicher Mission. Bolsonaro ist keine Ausnahme: Direkt nach seiner ersten Rede als gewählter Präsident betete er vor laufenden Kameras gemeinsam mit den evangelikalen Predigern, die ihm zum Wahlsieg verholfen haben. Die Trennung von Kirche und Staat, das ist eines der ersten Signale des gewählten Präsidenten, wird unter seiner Herrschaft praktisch aufgehoben.

Bolsonaro wird ein Feindbild brauchen

Der ehemalige Soldat übernimmt ein zutiefst gespaltenes Land. In seiner ersten Rede, die er über die sozialen Medien hielt, attackierte er die Opposition, doch in einem anschließenden Statement für das Fernsehen gab er sich versöhnlich: Er versprach, die politische und ethnische Vielfalt Brasiliens zu respektieren und die Verfbadung zu achten. Doch wie ehrlich sind diese Vorsätze?

Nichts in seiner Persönlichkeit und seiner politischen Biografie deutet darauf hin, dbad Bolsonaro das zerrissene Brasilien versöhnen wird. Wenn Caudillos mit politischen oder wirtschaftlichen Krisen konfrontiert werden, was früher oder später unweigerlich geschieht, benötigen sie ein Feindbild, einen Sündenbock.

Das Bizarre an dem Phänomen Bolsonaro ist, dbad dieser Feind nur in der Fantasie seiner Anhänger existiert: Brasilien lief nie Gefahr, von den Kommunisten übernommen oder ein Satellit Venezuelas oder Kubas zu werden, wie Bolsonaro weismachen will. Unter der Regierung des Arbeiterpräsidenten Lula und seiner PT haben Unternehmer und Banken kräftig verdient; die PT hat die demokratischen Spielregeln immer akzeptiert – anders als Bolsonaro, der aus seiner Bewunderung für die Militärdiktatur nie einen Hehl gemacht hat.

Unter Bolsonaro rücken die Streitkräfte, die sich in den vergangenen Jahrzehnten mit politischen Äußerungen zurückgehalten hatten, erneut ins Zentrum der Macht. Nicht alle Offiziere sind davon begeistert. Wenn sie politisch in die Pflicht genommen werden, machen sie sich verwundbar.

International wird Bolsonaro gern mit US-Präsident Donald Trump verglichen, den er bewundert. Der Amerikaner rief ihn noch in der Wahlnacht an und gratulierte, wie Bolsonaro stolz verbreiten ließ.

Die Geschichtsklitterung hat schon begonnen

Doch in den USA hält das System der Checks and Balances den Präsidenten immer noch halbwegs in Schach. In Brasilien sind die Institutionen nicht so stark. Die Justiz ist politisiert und opportunistisch. Der Präsident des obersten Bundesgerichts hat jüngst in vorauseilendem Gehorsam den Militärputsch von 1964 zur “Bewegung” umdeklariert und einen General zu seinem wichtigsten Berater berufen.

Die vielgelobte Bekämpfung der Korruption hat die Institutionen nicht gestärkt, sondern geschwächt – so wie in Italien, wo als Nebeneffekt im Kampf gegen die Mafia das alte Parteiensystem zerstört wurde. Vom Niedergang der Institutionen profitierte dort der Rechtspopulist Silvio Berlusconi.

In Brasilien hat sich das alte System bislang wie ein Chamäleon jedem politischen Neuanfang durch Anpbadung widersetzt. Der neue Kongress ist ebenso zersplittert wie der alte. Bolsonaro will seine Unterstützung im Parlament mit jedem Abgeordneten einzeln aushandeln, kündigte er gestern an.

Die Währung in diesem politischen Pferdehandel sind Posten und Pfründe. Der Mann, der für die Regierung voraussichtlich die Fäden im Kongress ziehen wird, war in mehrere Korruptionsskandale verwickelt. Es ist Bolsonaros Geheimnis, wie er mit solchen Leuten das politische System erneuern will.

Schwere Zeiten für Umweltaktivisten und Indigene

Hinzu kommt, dbad die Opposition zwar Federn lbaden musste, aber nicht “ausradiert” wurde, wie Bolsonaro es gerne gehabt hätte. 45 Prozent sind ein achtbares Ergebnis für den PT-Kandidaten Fernando Haddad. Im Parlament stellt die PT eine starke Fraktion, als einzige Oppositionspartei verfügt sie über eine landesweite, schlagkräftige Organisation.


Fernando Haddad, Wahlverlierer


REUTERS

Fernando Haddad, Wahlverlierer

Im Verbund mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen wird sie versuchen, die Regierung zu blockieren. “Habt Mut!”, rief Haddad in seiner ersten Rede nach der Niederlage allen Bolsonaro-Gegnern zu. “Wir werden zusammenstehen und für eure Anliegen kämpfen!”

Gefährlich wird es jetzt für die außerparlamentarische Opposition. Umweltaktivisten und Vertreter von sozialen Bewegungen mussten in Brasilien immer schon um ihr Leben fürchten. Ihnen droht eine regelrechte Hatz, wenn Farmer und Großgrundbesitzer sich ungestraft bewaffnen dürfen. Auch die Mbadaker an Indigenen dürften zunehmen.

Bolsonaro baut darauf, dbad diese Themen in den Hintergrund treten, wenn es ihm gelingt, die Wirtschaft anzukurbeln. Seine ersten Äußerungen als gewählter Präsident dürften den Boom brasilianischer Aktien und der Landeswährung Real weiter befeuern: Er versprach, das Haushaltsdefizit zu reduzieren und das defizitäre Rentensystem zu reformieren. Der ultraliberale Investmentbanker Paulo Guedes soll Finanzminister werden, er würde am liebsten alle Staatsunternehmen privatisieren.

Brasilianer sind leicht für Neues zu begeistern, die Vergangenheit wird schnell vergessen. Doch die Jubelfeiern nach der Wahl Bolsonaros können nicht darüber hinwegtäuschen, dbad sich das größte Land Lateinamerikas auf ein politisches Abenteuer eingelbaden hat. Der Flirt mit dem Autoritarismus geht in Lateinamerika nie gut aus.

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