[ad_1]
Es gibt für die Große Koalition derzeit kaum Grund zum Selbstlob und zum Feiern. Aber zumindest auf eine positive Meldung können sich Union und SPD jeden Monat fest verlbaden: gute Zahlen vom Arbeitsmarkt. Die Oktoberzahlen toppten die gewohnt guten Werte der Vormonate sogar noch. Denn erstmals seit der Wiedervereinigung ist die Arbeitslosenquote in Deutschland unter die Fünf-Prozent-Marke gesunken. “Auf diese Zahlen kann Deutschland stolz sein”, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).
Aber wie lange hält der Positiv-Trend? Die wirtschaftspolitische Lage wirkt düster: Die USA haben einen Handelsstreit angezettelt, die EU und Großbritannien bekommen keinen Brexit-Vertrag hin, an den Börsen herrscht Nervosität, und wie lange die Bundesregierung noch hält, ist fraglich.
Doch ein Blick auf die Entwicklung der Arbeitslosenquote seit 2005 zeigt: Der Aufschwung am Arbeitsmarkt dauert bereits seit mehr als zehn Jahren an – unabhängig von Konjunkturdellen.
Was steckt hinter dem positiven Trend auf dem deutschen Arbeitsmarkt?
Den Grundstein für die positive Entwicklung seit 2005 legten die Hartz-Reformen. Für die zusätzlichen Beschäftigungszunahmen in der jüngeren Zeit spielen sie aber keine große Rolle mehr, sagt Enzo Weber, Arbeitsmarkt-Experte am Forschungsinstitut IAB.
Er sieht vor allem drei zentrale Gründe für den guten Trend:
- Es gibt einen großen Bedarf bei Dienstleistungsjobs. Bedingt durch den demografischen Wandel sind im Bereich Gesundheit und Pflege viele Arbeitskräfte gefragt. Auch bei Unternehmensdienstleistungen und bei Erzieherberufen ist die Nachfrage hoch.
- Hinzu kommt das knappe Angebot an Arbeitskräften. Am Arbeitsmarkt gibt es weniger einen Einstellungsboom, sondern vor allem eine große Zurückhaltung bei Entlbadungen. Die Betriebe halten ihre Leute. Das zeigt sich auch in der Entlbadungsquote, die auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung gesunken ist.
- Auch die Migration nach Deutschland zeigt positive Effekte. Infolge der Wirtschaftskrise in Euro-Staaten wie Griechenland, Spanien und Italien zogen viele Menschen von dort nach Deutschland. Auch die Aufhebung der Freizügigkeitsbeschränkungen für Bürger aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten wie Rumänien und Bulgarien und der Zuzug von Geflüchteten brachten Impulse.
Trotz Boom bleiben Problemfelder
Doch vom Boom auf dem Arbeitsmarkt profitieren nicht automatisch alle.
- So sieht IAB-Experte Weber bei Löhnen und Gehältern noch Luft nach oben. “Bei der Lohnentwicklung wäre angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt mehr zu erwarten.”
- Auf den ersten Blick sieht die Entwicklung bei der Langzeitarbeitslosigkeit gut aus. Die Zahl der Arbeitslosen, die Hartz IV beziehen, sinkt. Arbeitsminister Heil verwies auf einen Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit um 93.000 im Vergleich zum Vorjahr. Doch die Zahl sinkt vor allem deshalb, weil relativ wenige neue Fälle dazukommen. Es sei aber für Langzeitarbeitslose nicht leichter geworden, einen Job zu finden, sagt IAB-Experte Weber. Oft hätten die Betroffenen spezifische Probleme, die eine intensive Betreuung im Einzelfall erfordern.
- Auch beim Thema prekäre Beschäftigung tut sich trotz Boom auf dem Arbeitsmarkt wenig. Minijobs, Befristungen, Leiharbeit und Lohn-Ungleichheit haben seit den Neunzigerjahren bis ins letzte Jahrzehnt zugenommen. Inzwischen gibt es hier zwar keinen Anstieg mehr, aber prekäre Beschäftigung bleibt auf erhöhtem Niveau.
Welche Herausforderungen gibt es?
Das knappe Angebot an Arbeitskräften trägt zwar einerseits zum Boom bei, andererseits wird die Herausforderung darin liegen, die sinkende Zahl an Arbeitskräften klug zu managen.
Jährlich gehen dem deutschen Arbeitsmarkt aufgrund des demografischen Wandels mehr als 300.000 Menschen verloren. Dies wird sich noch verschärfen, wenn die Babyboomer-Generation in Rente geht – das wird in den kommenden zehn Jahren der Fall sein. Schon heute herrscht in bestimmten Regionen Arbeitskräfteknappheit. Im schlimmsten Fall müssten Firmen schließen oder abwandern, die Wirtschaftsleistung könnte abnehmen
“Eine Abnahme des Arbeitskräftepotenzials ist nicht gleich eine Katastrophe”, sagt IAB-Experte Weber. “Wir haben aber bislang keine Erfahrung, wie wir mit einer abnehmenden Bevölkerungszahl umgehen. Es wird darum gehen, den Prozess auf dem Arbeitsmarkt zu steuern und zu verlangsamen.”
Dies könne etwa geschehen, wenn das Potenzial bei älteren Menschen und Frauen besser ausgeschöpft und Migration gesteuert wird. Weber plädiert dafür, mehr in Weiterbildung zu investieren und neue Arbeitszeitmodelle zuzulbaden. Es gebe noch Verbesserungspotenzial. “Die Produktivität ist im Vergleich zur Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt eher bescheiden”, sagt er.
Auch die Folgen der Digitalisierung werden sich auf dem Arbeitsmarkt niederschlagen. Es drohten zwar nicht unbedingt große Entlbadungswellen, aber viele Qualifikationen bei bestehenden Jobs könnten überholt sein, sagt Weber. So prognostizieren Studien, dbad weiter Arbeit und Jobs da sein werden, aber dbad sich die Anforderungen ändern werden. “Es geht darum zu erkennen, mit welchen Möglichkeiten Menschen am besten in Arbeit gebracht werden können”, sagt Weber.
Entscheidend sei eine versierte Arbeitsmarktpolitik, sagt Weber. “Die Arbeit am Einzelfall mit intensiver Betreuung, vielleicht sogar mit einer längeren Begleitung, wird wichtiger.” Es werde etwa darum gehen, zusammen mit den Betroffenen zu entscheiden, ob Vermittlung, Weiterbildung oder eher ein Berufswechsel Sinn ergibt.
Ist die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland bereits auf diese Herausforderungen ausgerichtet? “Man ist sich des Problems bewusst”, sagt Weber.
Wie lange wird der Positiv-Trend anhalten?
Trotz aller wirtschaftlicher Herausforderungen – solange keine schwere weltweite Rezession einsetzt, rechnen Experten nicht mit einem Einbruch am deutschen Arbeitsmarkt. So wird etwa in der Pflege allein aus demografischen Gründen der Bedarf an Fachkräften hoch bleiben.
“Die Beschäftigungsentwicklung verläuft gedämpfter, aber die Voraussetzungen für eine niedrigere Arbeitslosenquote sind gut”, sagt Weber. “Langfristig wäre Ende der 2020er Jahre sogar Vollbeschäftigung möglich.” Also ein Wert von zwei bis drei Prozent.
Source link