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Es rächt sich, dbad Brasilien die Verbrechen seiner Militärdiktatur nie aufgearbeitet hat. Ein Mann, der Mörder verehrt, wird wohl Präsident. Aber der Schrecken ist längst Gegenwart.
Gastbeitrag von Eliane Brum
Vergangene Woche war ich in Berlin und versuchte vor unterschiedlichem Publikum, eine Antwort auf die immer wieder aufs Neue gestellte Frage zu finden: Wie können die Brasilianer nur für einen Kandidaten stimmen, der Diktatur, Folter und die Bewaffnung der Bevölkerung rechtfertigt? Wie können die, die sich der Welt gern als “freundliches Volk” präsentieren, für einen offen rbadistischen, homophoben, frauenfeindlichen Mann des Militärs votieren? Wenn die Umfragen stimmen, wird die Bevölkerung Brasiliens am kommenden Sonntag Jair Messias Bolsonaro zum Präsidenten wählen, einen Mann, der in sozialen Netzwerken “o coiso”, “das Etwas”, genannt wird.
Ich habe ein paar Hypothesen zu dieser extremen Grenzsituation in Brasilien. Eine davon ist das Schweigen unserer jungen Demokratie über die Verbrechen der 21-jährigen Diktatur, die unser Land zwischen 1964 und 1985 unterdrückte. Um das Brasilien von heute verstehen zu können, sei daran erinnert, dbad beim Übergang vom Regime der Notstandsverordnungen zur Demokratie das eigentlich Unannehmbare gebilligt wurde: Stillschweigen über die Verbrechen staatlicher Akteure an der Zivilbevölkerung.
Licht in die Verbrechen aus der Zeit der Unterdrückung zu bringen und Täter zu belangen, ist eine Pflicht, geradezu Gründungsvoraussetzung einer Demokratie: Das wiederhergestellte demokratische System erklärt der Gesellschaft, dbad die Vernichtung des Lebens der Bürger nicht toleriert wird und diejenigen, die sich im Namen des Staates an Menschen vergangen haben, sich dafür verantworten müssen.
Brasilien ist diesen Weg nicht gegangen. Nach 33 Jahren Demokratie können sich Folterer und Gefolterte nach wie vor in der Bäckerei an der Ecke begegnen. Die Quittung für dieses Schweigen erhält das Land jetzt, mit der Wahl eines Hauptmanns außer Dienst, der die Meinung vertritt, dbad die Diktatur “mindestens 30 000” Menschen mehr hätte umbringen sollen.
Die Szene, die den Autoritarismus von früher mit jenem der Gegenwart synchronisierte, ereignete sich am 17. April 2016, bei der Abstimmung über das Amtsenthebungsverfahren gegen Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei. Bei seinem Votum für die Amtsenthebung der gewählten Präsidentin rief der Abgeordnete Bolsonaro aus: “Für Oberst Carlos Alberto Brilhante Ustra, den Schrecken von Dilma Rousseff”.
Dieser Ustra ist als einer der sadistischsten Folterer der Diktatur bekannt und für den Tod von mindestens 50 politischen Gefangenen sowie die Folterung Hunderter weiterer verantwortlich. Bolsonaro würdigte ihn also nicht nur, sondern verstieg sich auch noch zu dem furchtbaren Nachsatz: “den Schrecken von Dilma Rousseff”. Eben jene Rousseff war während der Diktatur grausam gefoltert worden.
Damit schlug Bolsonaro die Brücke zu dem nie wirklich beendeten Albtraum, im Parlament und vor laufenden Kameras der ganzen Welt. Er stellte damit die Deformation einer Demokratie bloß, deren monströse Hervorbringung er selbst ist, und verdrehte zudem das Impeachment von einem verfbadungsmäßigen Instrument zu einer weiteren Folterung Dilma Rousseffs.
Dbad es für das Verfahren nicht einmal eine solide Rechtsgrundlage gab, verleiht dem, was aus meiner Sicht die symbolische Wahlkampferöffnung durch Bolsonaro war, eine zusätzliche Note. Jeder Anschein einer Realität von Demokratie in Brasilien wurde in diesem Moment zerstört. Vielleicht wäre es anders gewesen, wenn Bolsonaro an diesem historischen Punkt zur Verantwortung gezogen und für seine Verherrlichung der Folter bestraft worden wäre. Aber wieder einmal haben die Institutionen versagt.
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