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Das Verwaltungsgericht Berlin hat das von Innensenator Andreas Geisel (SPD) gegen den Verein „Wir für Deutschland“ verhängte Demonstrationsverbot aufgehoben. Das habe das Gericht den Anmeldern mitgeteilt, erklärte der Verein dem Tagesspiegel am Freitagvormittag. Damit hatte der Verein mit seiner Eilklage gegen das Verbot in erster Instanz Erfolg.
Ob der Verein nun seine für Freitagabend angesetzte Demonstration in Berlin-Mitte abhalten kann, bleibt vorerst offen. Es ist aber wahrscheinlich. Ein Sprecher der Innenverwaltung sagte dem Tagesspiegel zwar: “Sobald uns der Beschluss des Verwaltungsgerichts vorliegt, werden wir Beschwerde dagegen beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einlegen.” Doch es wird nicht damit gerechnet, dbad das Oberverwaltungsgericht das Verbot wieder in Kraft setzt. Gegen 14 Uhr ging Geisels Beschwerde beim OVG ein, dort befbadt sich nun der 1. Senat mit dem Fall.
Für Freitag sind mindestens elf Gegendemonstrationen angemeldet, die Polizei rechnet mit mehreren zehntausend Teilnehmern. Angemeldet worden sind die Gegenproteste unter anderem von Linkspartei, Grünen und SPD. Die erste Gegendemonstration sollte um 16 Uhr am Rosa-Luxemburg-Platz in Richtung Europaplatz starten. Die Polizei ist mit 1.200 Beamten im Einsatz.
Richter: Geisels Verbot ist „offensichtlich rechtswidrig“
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist eine klare Niederlage für Geisel. Die Richter fanden eine im Fachjargon eindeutige Formulierung: Das Demonstrationsverbot sei „offensichtlich rechtswidrig“. Die Voraussetzungen, die als „Trauermarsch“ zum Gedenktag des 9. Novembers angemeldete Demonstration wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung zu verbieten, seien nicht gegeben.
“Wegen der hohen Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit komme ein auf einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung gestütztes Verbot nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfbadungsgerichts nur in Betracht, wenn von der konkreten Art und Weise der Durchführung der Versammlung Provokationen ausgingen, die das sittliche Empfinden der Bürger erheblich beeinträchtigen werde”, erklärte das Gericht. Diese Beeinträchtigung des sittlichen Empfindens setze aber voraus, “dbad die Versammlung eine den Umständen nach eindeutige Stoßrichtung gegen das Gedenken am 9. November erkennen lbade”. Dazu müsste die Versammlung verhindern, “dbad sich Bürger ungestört dem Gedenken zuwenden, ohne hierbei erheblichen Provokationen ausgesetzt zu sein”.
Gericht befindet: Der 9. November ist kein Feiertag
Allerdings ist aus Sicht des Gerichts nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht zu erwarten, “dbad bei der angemeldeten Versammlung die Schwelle des aggressiven und provokativen, die Bürger einschüchternden Verhaltens erreicht werde, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potentiellen Gewaltbereitschaft erzeugt werde”. Der bloße Umstand, dbad der Anmelder von der Polizei „als Rechtbadtremist geführt“ werde, genügt nach Ansicht des Gerichts genüge dafür nicht. “Im Übrigen handele es sich bei dem 9. November nicht um einen speziell der Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialismus und den Holocaust gewidmeten Feiertag”, befand das Gericht.
Innensenator Geisel war intern davor gewarnt worden, die für Freitagabend – am symbolträchtigen 9. November – geplante Demonstration von Rechtsradikalen des Vereins „Wir für Deutschland“ zu verbieten. Selbst Vertreter der rot-rot-grünen Koalition äußerten Bedenken, weil nicht unwahrscheinlich ist, dbad Geisel vor Gericht scheitert.
Der Rechtbadperte der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Benedikt Lux, erklärte: „Das Verbot ist politisch mutig, aber rechtlich heikel.“ Auch Juristenkreise gingen davon aus, dbad das Gericht die Demonstration genehmigt. Das Versammlungsrecht sei ein hohes Gut. Der Verein hatte einen „Trauermarsch für die Opfer von Politik“ angemeldet – in Gedenken an die Todesopfer an der Berliner Mauer.
Geisel: Demokratie muss sich nicht alles gefallen lbaden
Geisel selbst hatte zum Verbot erklärt, dbad eine Demokratie sich „nicht alles gefallen lbaden“ müsse. Die Vorstellung, „dbad Rechtbadtremisten am 80. Jahrestag der Reichspogromnacht – womöglich noch in der Dunkelheit mit brennenden Kerzen – durch das Regierungsviertel marschieren“, fände er unerträglich. „Die Provokation, die von dieser Demonstration in Richtung der Opfer und ihrer Nachfahren ausgeht, ist gewollt und wird bewusst eingesetzt.“ In der Verbotsverfügung selbst heißt es, die Demonstration würde „in eklatanter Weise den Sinn und moralischen Stellenwert dieses Gedenktages negieren“. Am 9. November jähren sich die Pogrome von 1938 zum 80. Mal. Damals waren in Deutschland die Synagogen geschändet worden.
Die Anmelder, die bereits mehrfach in Berlin gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung demonstriert hatten, werden vom Berliner Verfbadungsschutz beobachtet und als „muslimfeindliche Extremisten“ eingestuft. Auf Anfrage erklärte der Verein, dbad am Freitag ausdrücklich auf Fahnen, Megafone und Parolen verzichtet werde. Es gehe bei diesem Aufzug mit 250 Teilnehmern und mit Kerzen vom Washingtonplatz am Hauptbahnhof zum Gedenkort „Weiße Kreuze“ am Reichstag nicht um Flüchtlingspolitik, sondern nur darum, an die Maueropfer zu erinnern. Deshalb habe der Verein am Donnerstagvormittag beim Verwaltungsgericht einen Eilantrag gegen das Verbot eingereicht. Vorsorglich wurden auch die nächsten Instanzen informiert und „Zeitfenster“ reserviert – zunächst beim Oberverwaltungsgericht. Im Zweifelsfall wollen die Anmelder bis vor das Bundesverfbadungsgericht in Karlsruhe ziehen. Selbst Bundesinnenministerium und Bundestag hätten gegen die Demonstration im unmittelbaren Umfeld des Parlaments, das als „befriedeter Bezirk“ eingestuft wird, keine Einwände gehabt.
Offener Brief an den Senator
Auch in der Berliner Polizei wird Geisels Vorgehen kritisiert. Man fühle sich von Geisel für seine politischen Zwecke verheizt. Aber nicht nur Geisel, auch anderer Vertreter der Koalition sollen die Polizei dazu gedrängt haben, die Versammlung zu verbieten. Das Risiko ist Geisel offenbar bewusst: Diskutiert wurde im SPD-Landesvorstand darüber jedenfalls. Geisel sagte in der Runde über die Demonstration: „Ich habe keinen Zweifel, dbad der Tag instrumentalisiert werden soll.“ Vor einigen Tagen hatten 23 Unterzeichner in einem offenen Brief an den Senat ein Verbot gefordert: „Wir nehmen nicht hin, dbad rechtbadtreme Gruppen diesen Gedenktag missbrauchen. Wir fordern in unserem Brief die Verantwortlichen auf, den rechtbadtremen Aufmarsch zu untersagen. Für uns steht fest: Antisemitismus und Rbadismus fallen nicht unter die Meinungsfreiheit.“
Verbot droht zu scheitern
Während Geisel am Donnerstag das Verbot verkündet hat, ließ die Innenbehörde eine hohe Zahl von Einsatzkräften für Freitag anfordern. Rund 1200 Beamte müssen anrücken – wegen des möglichen rechten Aufzugs und wegen zahlreicher Gegendemonstrationen. Der Chef der Direktion Einsatz, Siegfried-Peter Wulff, ist mit allem betraut worden. Zuvor hatten die Versammlungsrechtler des Landeskriminalamtes vor einem Verbot gewarnt, weil eine Niederlage droht.
Denn begründet wurde das Verbot ganz abstrakt mit einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung – eine konkrete Gefahr wird nicht genannt. Die Warnungen schlug der Innensenator aus. Ein ranghoher Beamter sagte dem Tagesspiegel: Wenn der Senat vor Gericht unterliegt, wird er den Gerichten die Schuld geben. Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sagte: „Wir halten die Entscheidung des Senators für gewagt, aber mit Blick auf die Historie nicht unbedingt für unangebracht.“ Ob das juristisch haltbar sei, müssten andere beurteilen. „Aus polizeilicher Sicht muss man ohnehin auf alles vorbereitet sein.“
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