Israels Regierung wackelt: Lieberman-Rücktritt bringt Netanjahu in die Bredouille



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Israels Regierung wackelt Lieberman-Rücktritt bringt Netanjahu in die Bredouille

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Israels Verteidigungsminister tritt überraschend zurück

Lieberman kritisierte die Linie der israelischen Regierung in der Palästinenserfrage scharf als zu „lasch“. Die Hamas feierte die Entscheidung des Ministers. Unklar ist, ob der Rückzug Liebermans vorzeitige Wahlen auslösen könnte.

Verteidigungsminister Avigdor Lieberman hat aus Protest gegen den neuesten Waffenstillstand mit der Hamas sein Amt niedergelegt. So will er sich als Alternative zu Premier Netanjahu profilieren, der ihm zu nachgiebig ist. Stürzt nun die Regierung?

Es ist ein schwerer Vorwurf gegen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu. Dessen überraschende Entscheidung, am Dienstagabend einem Waffenstillstand mit der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen zuzustimmen, nachdem diese fast 500 Raketen auf israelische Städte und Dörfer abgeschossen hatte, sei eine „Kapitulation vor dem Terror“, sagte Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman – und trat aus Protest gegen Netanjahus Sicherheitspolitik zurück. Der Premier kaufe „kurzfristig Ruhe, bezahlt dafür aber mit langfristigen Schäden für die nationale Sicherheit.“

Der Rücktritt bringt Netanjahu in die Bredouille, und das nicht nur rechnerisch. Sobald Liebermans Partei „Israel unser Heim“ die Koalition verlässt, beruht deren Mehrheit im Parlament nur noch auf einer Stimme. In der Vergangenheit hatte Netanjahu eine Regierung mit ähnlichen Mehrheitsverhältnissen aufgelöst, weil diese seiner Meinung nach zu erpressbar geworden war. Endet nun Netanjahus vierte Amtszeit?

In dessen Likud-Partei wiegelte man am Mittwoch ab. Theoretisch habe er seine Mehrheit im Parlament ja noch. Er werde das Verteidigungsministerium vorerst übernehmen. Die Regierung setze ihre Arbeit unbeirrt fort.

„Innenpolitischer Druck wird immer größer, nicht klein beizugeben“

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Zwischen Israel und der palästinensischen Hamas kommt es zur gefährlichsten Zuspitzung seit dem Gaza-Krieg 2014. Israel-Korrespondent Gil Yaron weiß, wie heikel die Situation aktuell ist.

Doch damit rechnet nur noch eine Minderheit der israelischen Politiker. Denn der politisch erfahrene Lieberman hatte mit seiner Verlautbarung einen aus seiner Sicht idealen Zeitpunkt abgewartet, und bringt die Koalition damit vollkommen aus dem Gleichgewicht. Gleich mehrere Gesetzesvorschläge können nun aufgrund von Unstimmigkeiten in der Koalition nicht in der vereinbarten Form verabschiedet werden, wie etwa ein Gesetz, das den Wehrdienst der Ultra-Orthodoxen regeln soll. Selbst stabile Regierungen stürzten in der Vergangenheit über diese Frage.

So setzt Lieberman offensichtlich auf einen Fall der Regierung und schlachtete seine Pressekonferenz zu innenpolitischen Zwecken aus. „Es ist kein Geheimnis, dbad der Premier und ich viele Meinungsverschiedenheiten hatten. Aber ich nutzte keine als Vorwand, um die Koalition zu verlbaden“, beteuerte er. Oftmals habe Netanjahu ihm jedoch seine Meinung durch ausdrückliche, schriftliche Anweisungen aufgezwungen.

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Avigdor Lieberman, israelischer Verteidigungsminister

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Die Sprengstoffballons können vom Wind mehr als 80 Kilometer weit getragen werden. Jenseits der Grenze entfachen sie in Israel schwere Brände

Damit machte er den Premier für alle vermeintlichen Fehler in Israels Sicherheitspolitik verantwortlich und stellte ausgerechnet die Qualifikationen Netanjahus infrage, mit denen der bislang gegen alle Rivalen am meisten punktete. Der ehemalige Elitesoldat gilt als harter, aber besonnener Taktiker mit der größten Sicherheitserfahrung in der israelischen Politik, was ihm Mal um Mal Wahlsiege bescherte.

Sein Beschluss, trotz heftigen Raketenbeschusses eine neue Waffenruhe mit der Hamas einzugehen, wird selbst von vielen seiner Anhänger als schwerwiegender Fehler betrachtet. Im Sicherheitskabinett sprachen sich vier von zehn Ministern gegen den Waffenstillstand aus. Längst geht der Unmut über Netanjahus vermeintliche Niederlage, die die Hamas in Gaza ausgelbaden als Sieg feiert, über politische Trennlinien hinaus.

Israels Rechte beklagt, die Hamas habe Israel ihren Willen diktiert: Sie habe entschieden, wann und in welchem Maße die Lage eskaliere, und wann und wie die Eskalation ende. Letztlich habe sie dafür keinen Preis bezahlt, Israel erhielt für seine Zustimmung zum Waffenstillstand keine Sicherheitsgarantien. Im Gegenteil – Hamas-Führer verkündeten bereits, die gewaltsamen Proteste an der Grenze zu Israel würden an diesem Freitag fortgeführt.

Proteste am Gazastreifen

Auch von links hagelt es Kritik. Netanjahu habe nur den alten, labilen Status Quo wiederhergestellt. Er überlbade die Initiative den Islamisten statt eine Strategie zu verfolgen, um die heikle Lage langfristig zu entschärfen. Rechte und linke Kritiker sind sich deshalb ausnahmsweise in einem Punkt einig: Ein neuer Konflikt könne jederzeit wieder aufflammen.

Politisch gärt es nun in Israel. Schon Dienstagabend begannen im Süden des Landes spontane Demonstrationen gegen den Waffenstillstand. Mittwochfrüh sperrten Bewohner der Umgebung des Gazastreifens Überlandstraßen. Am Donnerstag wollen sie ihre Proteste nach Tel Aviv verlegen.

Genau diese Unzufriedenheit will Lieberman nun ausschlachten. Deshalb erwähnte er zusätzlich zwei Beschlüsse Netanjahus, die dessen Anhängern in den vergangenen Wochen besonders aufstießen: Der Premier habe schriftlich Anweisung gegeben, das illegal errichtete Beduinendorf Khan al-Akhmar nicht zu räumen. Und er habe Lieberman gezwungen, der Hamas Treibstoff aus Katar liefern zu lbaden. Damit porträtiert er den Premier als Verräter an der rechten Sache.

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Beduinendorf Khan al-Ahmar im palästinensischen Westjordanland: Außer den Bewohnern hat hier offiziell niemand Zutritt

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Ramadan Dabasch im Gemeindezentrum von Sur Baher in Ostjerusalem. Es wurde mit israelischen Geldern errichtet

Die wichtigste Frage ist nun, ob Lieberman mit seinem Beschluss, kurz vor Beginn eines Wahljahres die Koalition zu verlbaden, um sich selbst als prinzipientreue Alternative zu Netanjahu darzustellen, allein bleibt oder ob andere Koalitionspartner seinem Beispiel folgen. Liebermans Rücktritt erhöht den Druck auf Bildungsminister Naftali Bennett, Vorsitzender der Siedlerpartei „Jüdisches Heim“, der sich ebenfalls als Führer des rechten Lagers versteht. Genau wie Lieberman war auch er gegen den Waffenstillstand, kritisiert auch er seit Langem Netanjahus Politik.

Aus dem Umkreis Bennetts hieß es angeblich, er fordere nun das Verteidigungsministerium für sich. Sollte er Israels prestigeträchtigstes Amt nach dem des Premiers nicht erhalten, werde auch er die Koalition verlbaden. Doch Bennett könnte auch anders entscheiden, und genau wie Lieberman den Pakt mit Netanjahu vorzeitig aufkündigen, um vom Unmut über dessen Sicherheitspolitik zu profitieren. Dann würden vorgezogene Neuwahlen unumgänglich.

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