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Die Probleme der Autoindustrie drücken das Bruttoinlandsprodukt, das Maß für die Wirtschaftsleistung, im Sommerquartal.
WIESBADEN/FRANKFURT. Der deutsche Daueraufschwung verliert in seinem neunten Jahr an Tempo. Im Sommer schrumpft die Wirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt sinkt nach vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamtes im dritten Quartal gegenüber dem zweiten Vierteljahr um 0,2 Prozent.
Warum verliert die deutsche
Wirtschaft an Tempo?
Nach Einschätzung von Ökonomen hat vor allem die für Deutschland so wichtige Autoindustrie die Konjunktur von Juli bis September ausgebremst.
“Die Automobilindustrie zieht wegen WLTP die Produktionsnotbremse und bringt den deutschen Konjunkturzug vorübergehend nicht nur zum Stillstand, er rollt sogar etwas rückwärts”, erläutert KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner. Der neue Abgas-Prüfstandard (WLTP) gilt seit September in der EU. Deutsche Hersteller hatten das Prüfverfahren jedoch nicht rechtzeitig für alle Fahrzeugtypen durchlaufen, sie mussten daher die Produktion drosseln. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank sprich deshalb von einem “Crash mit Ansage”.
Was bremst Europas größte
Volkswirtschaft noch?
Die Exportnation Deutschland leidet unter schwächerer Nachfrage nach Produkten “Made in Germany”. Vor allem die von den USA angeheizten Handelskonflikte schlagen zunehmend durch. “Die Abkühlung der Exporte im dritten Quartal war fast greifbar”, beschrieb der Präsident des Außenhandelsverbandes (BGA), Holger Bingmann, jüngst die Lage. Aus Sicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) drohen der Weltwirtschaft wegen der aggressiven Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump deutlich trübere Zeiten.
Droht jetzt eine Rezession?
Nach gängiger Definition ist von einer Rezession die Rede, wenn die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge sinkt. Mit einem derartigen Einbruch rechnen Ökonomen jedoch nicht. Schon im vierten Quartal dürfte der deutsche Konjunkturzug wieder Fahrt aufnehmen, “jedoch ohne das hohe Tempo der jüngeren Vergangenheit so bald wieder zu erreichen”, sagt Zeuner voraus. Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), verweist auf die nach wie vor gut gefüllten Auftragsbücher der Unternehmen. “Für das Schlussquartal rechnen wir daher mit einem deutlichen Wiederanziehen der Wirtschaftsleistung.” Auch der Sachverständigenrat für Wirtschaft sieht keine “akute Gefahr” einer Rezession.
Was stützt die Konjunktur?
Die Konsumlust der Verbraucher hält nach Einschätzung von Ökonomen die deutsche Wirtschaft am Laufen. “Die Stimmung der Konsumenten ist nicht zuletzt wegen des exzellenten Arbeitsmarktes und deutlicher Lohnzuwächse weiterhin auf sehr hohem Niveau”, argumentieren Ökonomen der Deutschen Bank. Zwar schwächelte der Privatkonsum im dritten Quartal. Bayern-LB-Experte Stefan Kipar führt dies aber auf die Probleme in der Autoindustrie zurück. “Die verminderte Auslieferung von Automobilen hat statistisch auch zu der Eintrübung des privaten Konsums geführt.” Kaufwillige Kunden hätten teilweise nicht die Möglichkeit gehabt, ihr Wunschauto zu bekommen und den Kauf verschoben.
Grundsätzlich scheinen die Verbraucher aber weiter in Konsumlaune. “Offenbar unbeeindruckt von externen Risiken wie Handelskonflikt und Brexit sind die Konsumenten bereit, ihr Geld auszugeben”, heißt es in der jüngsten Konsumklimastudie des Nürnberger Marktforschers GfK. Denn Sparen sei angesichts unverändert extrem niedriger Zinsen nach wie vor keine attraktive Alternative für Anleger.
Was belastet die Aussichten?
Sorgen bereiten die internationalen Handelskonflikte. Die Streitigkeiten zwischen den USA und China drücken bereits das Wachstum der wichtigen chinesischen Volkswirtschaft. Deutsche Exporteure, Autobauer und andere Investoren müssen sich auf magerere Zeiten im Reich der Mitte einstellen. China ist ein wichtiger Markt für Waren “Made in Germany”. Hinzu kommen die Unwägbarkeiten des Brexits sowie die Schuldenpolitik in Italien, die zu Turbulenzen an den Finanzmärkten führen könnte.
Wie geht es weiter?
Das hohe Tempo des Boomjahres 2017 wird Europas größte Volkswirtschaft wohl nicht halten können. Der Sachverständigenrat für Wirtschaft, Wirtschaftsforschungsinstitute, internationale Organisationen sowie die Bundesregierung senkten zuletzt ihre Konjunkturprognosen für dieses und das kommende Jahr auf teilweise deutlich unter zwei Prozent. 2017 war die deutsche Wirtschaft noch um 2,2 Prozent gewachsen. “Unserer Einschätzung nach wird es weiterhin beim Aufschwung bleiben, aber mit vermindertem Wachstumstempo”, sagte Christoph M. Schmidt, Chef des Beratergremiums der Bundesregierung, jüngst.
Deka-Bank-Chefvolkswirt Kater meint: “Ohne das Diesel-Desaster ist die deutsche Konjunktur zwar weiterhin ordentlich unterwegs, allerdings geht hier ein wenig die Puste aus. Nach einem Mega-Aufschwung von zehn Jahren mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 2,1 Prozent pro Jahr ist das auch kein Wunder.”
Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP-Bank-Gruppe argumentiert, die aktuelle Konjunkturschwäche pbade in das übliche Muster von Phasen steigender und fallender Wachstumsraten. “Um es einmal positiv auszudrücken: Ab und an eine kalte Dusche verhindert eine Überhitzung und macht einen Aufschwung länger haltbar.”
Wie sieht es in der Eurozone aus?
Das Wirtschaftswachstum in der Eurozone hat sich im dritten Quartal verlangsamt. Das Statistikamt der EU, Eurostat, bestätigte am Mittwoch die erste Schätzung von Ende Oktober. Demnach nahm das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der 19 Länder der Währungsunion im Vergleich zum Vorquartal um 0,2 Prozent zu. In den ersten beiden Quartalen war die Wirtschaft noch jeweils um 0,4 Prozent gewachsen.
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