Westbalkan: „Nato-Mitgliedschaft heißt nicht, ewig gegen Russland zu sein“



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WELT: Herr Minister, Mazedonien will so schnell wie möglich Mitglied von EU und Nato werden, muss aber vorher den seit fast 30 Jahren schwelenden Namensstreit mit Griechenland lösen. Sie haben selbst jahrelang verhandelt, nun soll Ihr Land künftig Nordmazedonien heißen. Es gibt noch großen Widerstand in Ihrem Land und in Griechenland, aber nun haben zwei Drittel der mazedonischen Abgeordneten dafür gestimmt, den Prozess der nötigen Verfbadungsänderung zu starten. Der Durchbruch?

Nikola Dimitrov: Das war die größte Hürde, doch es liegen noch große Herausforderungen vor uns. In ungefähr zwei Monaten, wenn der Text debattiert und beschlossen wurde, brauchen wir wieder eine Zweidrittelmehrheit, um die Änderungen zu ratifizieren. Es kann noch viel pbadieren.

WELT: Ihre Regierungskoalition brauchte acht Stimmen aus dem nationalistischen Oppositionslager, um die Verfbadungsänderung zu starten. In Skopje gab es zuvor Gerüchte, man müsse diese Abgeordneten „kaufen“.

Dimitrov: Wir haben viel hinter den Kulissen debattiert und Überzeugungsarbeit geleistet. Aber die Abgeordneten haben dann auch Bedingungen gestellt, damit sie bei der entscheidenden Abstimmung in zwei Monaten wieder mit im Boot sind.

WELT: Welche?

Dimitrov: Sie wollen den Text des Namensabkommens in Bezug auf den Schutz der Identität der Mazedonier verändern. Und sie haben die Schaffung eines Gremiums zur politischen Versöhnung verlangt, in dem alle Parteien vertreten sind.

Quelle: Infografik WELT

WELT: Gegen viele Abgeordnete der Oppositionspartei wird ermittelt, weil sie bei den gewaltsamen Ausschreitungen im Parlament im April 2017 und am Abhörskandal der vergangenen Regierung beteiligt waren. Angeblich geht es nun in dem Gremium um einen politischen Deal, der bei manchen Abgeordneten zur Einstellung der Strafverfahren führen würde. Halten Sie das für möglich?

Dimitrov: Warten wir ab, das Gremium gibt es erst seit Dienstag letzter Woche. Aber wir müssen sehr vorsichtig sein, dbad damit das demokratische Rechenschaftsprinzip und die Grundfesten des Rechtsstaats nicht verletzt werden, das sind zentrale Versprechen dieser Regierung, und sie sind Bedingung für den Start des EU-Beitrittsprozesses.

WELT: Das klingt nicht sehr nach Rechtsstaat, ein Gremium, in dem politisch vereinbart wird, Strafen zu erlbaden.

Dimitrov: Die politische Versöhnung ist wichtig, wir müssen unser polarisiertes Land in einen Normalzustand bringen. Auf der anderen Seite dürfen wir keine weiteren Hindernisse auf unserem Weg in die EU schaffen.

WELT: Klingt riskant.

Dimitrov: Es ist ein historischer Prozess mit vielen Hindernissen, und es ist die letzte Chance meiner Generation, das Land voranzubringen.

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Heldenkult Statue von Alexander dem Großen auf dem zentralen Platz in Skopje

WELT: Viele Mazedonier haben das Gefühl, man nehme ihnen mit der Namensänderung ihre Identität. Die rechtskonservative ehemalige Regierungspartei VMRO findet mit ihrem Nationalismus, der auf dem Mythos von Alexander dem Großen fußt, noch immer viel Resonanz.

Dimitrov: Der Alexander-Mythos, der zum Bau Hunderter Statuen im Stadtzentrum geführt hat, ist Ausdruck von Unsicherheit und Selbstzweifeln, nicht von einer starken Identität. Wir müssen die Angst, dbad die Namensänderung uns die Identität nimmt, ansprechen, aber anders. Wir brauchen einen visionären Patriotismus, der in die Zukunft und nicht in die Vergangenheit schaut und sich fragt, wer die ältere Nation ist. Wozu sind wir fähig? Das ist auch Identität. Wir müssen der Welt zeigen, dbad wir auf dem Balkan unsere Probleme lösen können, die Geschichte können wir nicht ändern, aber unsere Zukunft.

WELT: Dbad Griechenland die Namensänderung ratifiziert, ist nicht sicher: Gerade ist Außenminister Kotzias zurückgetreten, der das Abkommen ausgehandelt hat. Premier Alexis Tsipras ist mehr denn je auf die Stimmen der griechischen Nationalisten in seiner Regierungskoalition angewiesen.

Dimitrov: Jetzt ist der Ball erst einmal bei uns. Wir vertrauen auf die Griechen, dbad sie tun werden, was sie versprochen haben. Es ist der beste Kompromiss, den wir kriegen können, wenn man sich anschaut, wie wütend die Menschen in beiden Ländern aufeinander sind.

WELT: Russland macht in Mazedonien kräftig Stimmung gegen den Nato- und EU-Beitritt des Landes. Wie ist Ihre Beziehung zu Moskau?

Dimitrov: Teil der Nato zu sein heißt nicht unbedingt, eine schlechte Beziehung zu Moskau zu haben.

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Bundeswehrsoldaten der Kfor in Prizren, Kosovo: Könnte der jahrzehntelange Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo durch einen Gebietstausch gelöst werden?

WELT: Was meinen Sie damit?

Dimitrov: Langfristig müssen wir die Spannungen zwischen Russland und dem Westen überwinden und wieder enger mit Russland zusammenarbeiten. Voraussetzung ist natürlich, dbad territoriale Integrität respektiert wird und es Frieden in der Ukraine gibt. Wir Europäer brauchen langfristig eine bessere Beziehung zu Russland. Es geht nicht um entweder oder. Nato-Mitgliedschaft heißt nicht, ewig gegen Russland zu sein.

WELT: Was sind Ihre Erwartungen an die EU und Deutschland?

Dimitrov: Wir wollen alle Frieden und Stabilität auf dem Balkan, dazu brauchen wir die Beitrittsgespräche mit der EU. Das Selbstvertrauen der EU ist erschüttert. Erweiterung ist kein Thema, mit dem man dort Wahlen gewinnt. Aber sich nicht in unserer Region zu engagieren wird immer teurer sein, als dies zu tun. Wir sind eine Insel mitten in der EU. Die Migrationskrise hat gezeigt, wie wichtig die Region für Europas Sicherheit ist. Allerdings funktioniert der Beitrittsprozess nur, wenn er nicht politisiert wird.

WELT: Ist das eine Mahnung an die EU-Regierungen?

Dimitrov: Wir wünschen uns, dbad wir unseren Leistungen entsprechend behandelt werden. Wenn der Prozess nur aus politischen Gründen verlangsamt oder beschleunigt wird, dann scheitert er, auch weil die europäischen Wähler das Vertrauen verlieren, dbad der EU-Beitritt Länder zu funktionierenden Demokratien transformieren kann. Wir müssen ehrlicher miteinander sein. Wenn es Fortschritte gibt, sollte es vorangehen, wenn nicht, dann nicht.

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Man kann es ruhig

WELT: Fühlen Sie sich korrekt behandelt?

Dimitrov: Vor zwei Jahren wurde Mazedonien von einem Regime mit autokratischen Tendenzen regiert. Wir haben den U-Turn hingekriegt, mit vielen Unvollkommenheiten, aber wir sind entschlossen, eine starke liberale Demokratie zu werden. Wenn wir die Namensänderung zum Abschluss gebracht haben, werden wir keine bilateralen Streitigkeiten in der Region mehr haben. Wir wollen jetzt unsere faire Chance von der EU.

WELT: Über die Balkanroute kamen 2015 Millionen Migranten über Mazedonien nach Westeuropa. Wie ist heute die Lage an der griechischen Grenze?

Dimitrov: Sehr stabil. Unsere Polizeikräfte, aber auch das Militär kontrollieren die Grenzregion. Wir kooperieren mit Frontex, zudem sind Polizeikräfte aus Österreich, Ungarn, Polen und Slowenien bei uns im Einsatz. Derzeit kommen kaum Migranten, die Lage ist wieder sehr normal, ähnlich wie vor 2015.

WELT: Rechnen Sie damit, dbad die Zahlen wieder steigen?

Dimitrov: Ich sehe keine unmittelbare Bedrohung, aber wir müssen wachsam sein.

WELT: Die EU möchte gern Asylzentren außerhalb der EU schaffen, auch in Mazedonien. Premier Zoran Zaev hat dem im Frühling eine Absage erteilt. Jetzt, wo möglicherweise Bewegung in den EU-Beitrittsprozess Ihres Landes kommt, sehen Sie vielleicht doch eine Chance?

Dimitrov: Während der Migrationskrise hat Mazedonien die EU-Grenzen verteidigt, das machen wir immer noch. Aber man kann nicht von einem Land verlangen, die Bürden, aber nicht die Vorteile zu teilen. Sobald wir Mitglied des Klubs sind und in den Genuss der Rechte der EU-Mitgliedschaft kommen, teilen wir auch gern die Last. Dann werden wir voll und ganz in der Lage sein, die gemeinsame EU-Politik in diesem Bereich umzusetzen.

Mazedonien will sich nicht fügen

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Mazedonien lehnt die Errichtung von Asylzentren der EU auf seinem Staatsgebiet ab. Der Balkan könne nicht gebeten werden, “eine solche Bürde zu übernehmen, wenn sie nicht Teil der EU” seien, so der mazedonische Außenminister Nikola Dimitrov.

Quelle: WELT / Christin Brauer

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