Ausstellungen: Jonathan Meese über Kunst: Herzblut statt Lifestyle



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Der Berliner Künstler Jonathan Meese ist ein Besessener der Kunst und würde sie am liebsten zur Staatsform erheben. Was er nicht will: Mitläufer, mittelmäßige Politiker und Kunst als Dekoration der Politik. In München gibt es nun Einblicke in sein Werk.

Jonathan Meese sorgt immer wieder für Aufsehen – etwa weil er in Werken mit NS-Symbolen hantiert oder bei Auftritten den Hitlergruß zeigt. Das sei Kunst, erklärt er dann, und tatsächlich blieb er jedes Mal straffrei.

Solche Zeichen und Gesten würden von der Kunst entkontaminiert, entideologisiert, sagte er im Interview der Deutschen Presse-Agentur in München, wo von Donnerstag bis zum 3. März 2019 die kleine Werkschau „Die Irrfahrten des Meese“ in der Pinakothek der Moderne zu sehen ist. Dem 48-Jährigen schwebt eine Welt ohne Politik, Ideologie und Religion vor. Eine Diktatur der Kunst, in der Kunst nicht nur Lifestyle ist, sondern eine Vision.

Frage: Als Jugendlicher hatten Sie nichts mit Kunst zu tun. Wie waren Sie damals?

Antwort: Ich war ein Träumer, ein Sehnsuchtstyp. Ich habe keine Schwierigkeiten gemacht. Ich saß im Sessel und habe vor mich hin gewurschtelt, habe Hörspiele gehört und Bücher gelesen, habe mir Sachen erträumt, nachgedacht. Meine Mutter war so cool zu sagen, mach was du willst. Dann hat sie mir Sachen angeboten, in die Wirtschaft zu gehen oder ein Banker zu werden. Das habe ich alles ein bisschen gemacht und dann gemerkt, das ist doch nicht so mein Ding.

Frage: Und der Kunstunterricht in der Schule, wie war das für Sie?

Antwort: Kunst war für mich wie Chemie oder Physik oder Mathematik. Ich habe das gemacht, aber irgendwann habe ich es abgelegt, ich glaube in der 11. Klbade, weil ich so zwischen den Noten drei und vier lag. Es war ein Fach, das ich gut abwählen konnte.

Frage: Jetzt leben Sie für die Kunst.

Antwort: Für mich ist das Staatsziel Kunst. Ich will, dbad der Staat Deutschland ein Gesamtkunstwerk wird. Politik und Religion haben wir jahrhundertelang gehabt, das führt zu nichts. Wir müssen was riskieren, ein neues Staatssystem, das nach meinem Dafürhalten Kunst heißt. Eine Welt ohne Politik und Religion, eine Welt ohne Ideologie ist möglich und wünschenswert.

Frage: In vielen Ihrer Bilder tauchen Symbole aus, etwa aus der NS-Zeit. Warum?

Antwort: Alle irgendwie besetzten Zeichen und Gesten, auch militärische, werden von der Kunst entkontaminiert, entideologisiert. In der Kunst ist alles erlaubt. Ich kann in der Kunst alles darstellen. Von Kunst stirbt man nicht, Kunst produziert keine realen Opfer, das machen nur Politik und Religion. Es gab viele Irrfahrten in der Geschichte der Menschheit, und diese Irrfahrten waren immer politisch oder religiös motiviert. Kunst führt einen nie in die Irre, Kunst führt einen in die Zukunft.

Frage: Die Titel Ihrer Werke lbaden die Betrachter mitunter rätseln, etwa „Dr. Wurstcremees’s Handgemenge“, das in München zu sehen ist. Wie würden Sie Ihr Verhältnis zur Sprache beschreiben?

Antwort: Es ist für mich wichtig, weil man in der Sprache weiterkommen muss. Man darf die radikale Sprache nicht der Straße überlbaden. Die Kunst muss die radikalste Sprache überhaupt sprechen, damit die anderen das nicht machen. Die Sprache in den Parlamenten und auf der Straße ist so radikal geworden, dbad die Kunst nur sagen kann, wir Künstler müssen noch radikaler sein, sonst werden wir einkbadiert. Künstler sind doch nicht die Dekoration von Politik und Religion.

Frage: Sie stehen der Politik sehr kritisch gegenüber.

Antwort: An die Macht wählen kann man nur Mittelmaß und das interessiert mich nicht. Wenn man Mittelmaß an die Macht wählt, wird man selber immer mittelmäßiger und man wird ein Mitläufer. Warum läuft man noch immer Ideologien hinterher? Warum will man Zeiten vor 100 Jahren kopieren? Warum will man Monarchien wiederhaben? Es gab Ludwig II. von Bayern, den kann man nicht kopieren. Der hat das geschaffen, was wir heute unter Bayern verstehen. Woran denkt man, wenn man an Bayern denkt? Man denkt an Ludwig II. und an Leberkäse. Diesem Typen hat man so viele Blockaden in den Weg gestellt, der wollte doch nur das Geilste und die Politiker wollten ihn absägen. Aber was ist geblieben? Seine Kunst. Von den Politikern aus der gleichen Zeit ist nichts übrig geblieben. Keine Vision, weil sie nie eine hatten. Ludwig II. hatte eine Vision und Kunst ist die Vision der Zukunft. Die Politik muss abdanken, weg, ciao!

Frage: Auf einem Bild aus dem Jahr 2018 bezeichnen Sie sich als Kunstbengel. Sind Sie wirklich so frech?

Antwort: Ich lbade mich vor keinen ideologischen Karren spannen, deswegen bin ich frech. Ich bin auch naiv in gewisser Hinsicht, aber ich liebe die Kunst. Es geht um Herzblut und nicht um Lifestyle. Die Politiker heute sind Lifestyler, ein großer Teil des Kulturbetriebs ist auch Lifestyle. Ich aber nicht, von mir gibt es nur Herzblut. Deswegen bin ich auch oft erschöpft, weil ich für die Kunst alles gebe. Das kommt alles aus meinem Herzen.

Frage: Trifft es Sie da nicht, wenn die Leute Ihre Kunst kritisieren?

Antwort: Ich finde es gut, dbad sich Leute über bestimmte Sachen aufregen, das ist doch herrlich. Wenn sich hier niemand mehr aufregt und alle sagen, das ist ja alles schön und gut, dann ist es Dekoration. Dann ist es nur ein Kulturprogramm, sowas Nettes von gestern. Es müssen Leute in Wallung kommen. Ich habe ja immer noch das Privileg, als Scharlatan zu gelten nach 25 Jahren professioneller Kunst. Ich bin kein Scharlatan, aber ich finde es irre, dbad ich diese Wahrnehmung immer noch habe. Damit kann ich leben. Wenn alle sagen, du bist der Guru, dann kann ich aufhören.

ZUR PERSON: Jonathan Meese ist bekannt für ausdrucksstarke Bilder, oft in grellbunten Farben, aber auch für seine Performances. Regelmäßig dreht er Videos und schreibt Manifeste, in denen er unter anderem eine Diktatur der Kunst fordert. In seinem Werk setzt er sich viel mit Sagengestalten, historischen Persönlichkeiten und Mythen auseinander.

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