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Das Werk der als Robyn bekannten schwedischen Popkünstlerin Robin Miriam Carlsson lässt sich nun, mit dem Erscheinen ihres Albums “Honey”, in drei Phasen gliedern. Da wäre zunächst die eher fremdbestimmte erste Phase in der sie unter Anleitung von Produzent Max Martin süßlichen R&B-Pop aufnahm, der 1995 als “Robyn Is Here” veröffentlicht wurde, in den USA sehr erfolgreich war – und somit mitverantwortlich dafür, dbad das US-Label Jive wenig später eine junge Frau namens Britney Spears unter Vertrag nahm und ihr eben jenen Max Martin an die Seite stellte. “…Baby One More Time”, Britneys Hit-Album von 1999, es klingt wie die jüngere Schwester von “Robyn Is Here”. Wäre Robyn also nie da gewesen, es bestünde die Möglichkeit, dbad es Spears, die Interpretin – nicht die Frau – nie gegeben hätte.
In ihre egoistische zweite Phase trat Robyn ein, als sie 2005 ihr eigenes Label Konichiwa Records gründete, um gemeinsam mit schwedischen Künstlern wie The Knife oder Klas Åhlund auf eingängige Refrains hingeschriebenen, tanzbaren Elektropop zu machen. “Robyn” hieß ihre im selben Jahr veröffentlichte, jetzt selbstermächtigte Wiedergeburt. Fünf weitere Jahre später erschien das als zwei EPs und eine LP häppchenweise veröffentlichte “Body Talk”. Robyn mag keine starren Deadlines. Mit Angst zu arselbbeiten, das ist nichts für sie. Zu den Interviews lädt sie im Spätsommer nach Berlin, ohne dbad ihr neues Album fertig gemastert zu hören ist.
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Die 39-Jährige lässt sich nicht unter Druck setzen, sie hat schlicht niemanden mehr etwas zu beweisen. Das Narrativ ihrer beiden frühen Alben war ein “Crash And Burn Girl”-Dasein, sagt sie: Es ging darum, immer auf den falschen Kerl zu stehen. Entweder, weil er ein Versager ist (“Bum Like You”, “Handle Me”), weil es einfach nicht pbadt (“With Every Heartbeat”) oder weil er anderweitig vergeben ist (“Be Mine!”, “Call Your Girlfriend”, “Dancing On My Own” ). “You’re a selfish, narcissistic, psycho freaking, bootlicking Nazi creep”, singt sie ihrem Love-Interest 2005 in “Handle Me” verächtlich entgegen. Im Interview fragen wir lieber nochmal kurz nach: “Also “Nazi creep”, das war jetzt aber nur ein Stilmittel, oder?” War es. Klar.
Sich dauerhaft für solche Typen zu interessieren, das muss doch selbstverursacht sein! Andere würden sich aufgrund dieser leicht deprimierenden Erkenntnis von sanften Gitarren getragen oder von Piano-Geklimper begleitet heulend ins Bett legen. Doch Robyn, die Melancholie-Skeptikerin, hört harten House von Armand Van Helden, wenn es ihr schlecht geht, weil sie das Schlechtgehen nicht noch mit trauriger Musik unterstützen möchte.
Ihr Leiden an der Liebe und sich selbst untermauert sie, im Gegenteil, mit zu körperlicher Ertüchtigung anregenden Beats und melodischen Erregungskurven, die dem Hörer ein Gefühl von Grandiosität und Heldentum vermitteln, während sie Zeilen wie diese mitschmettern: “And I’m all messed up, I’m so out of line, yeah”. Also der perfekte Soundtrack für das “Ich bin ein mich selbst verletzendes Ego-Schwein, aber oh, weh mir!”-Lebensgefühl, das Lena Dunham in “Girls” so adäquat abbildete. Robyns “Dancing On My Own” wurde somit nicht nur Teil einer mittlerweile ikonischen Schlafzimmertanz-Szene der TV-Serie, sondern auch zu einer Art Hymne für Generation Twitter.
Für die letzte Staffel von “Girls” wollte Dunham 2017 unbedingt wieder einen Song von Robyn, aber die hatte gar kein neues Material. Sie steckte tief in einer Lebenskrise und Depression. Die Auseinandersetzung mit einer Kindheit als Tochter ständig abwesender Schauspieler, einer Jugend als Popsängerin sowie der frühe Tod ihres Freundes und langjährigen Produzenten Christian Falk setzten ihr zu. Dazu kam dann auch noch die Trennung von ihrem Lebenspartner. Robyn begab sich in eine lange Therapie – und irgendwann zum ersten Mal ganz allein ins Studio. Sie machte Musik nur für sich selbst, um sich im Studio aus dem Ohnmachtsgefühl und der Lähmung herauszuholen. Krisen sind oft Übergangsphasen, die in neue Schaffensphasen münden.
Diese dritte Phase könnte man sanfte Selbterkenntnis-Disco nennen. “Honey” heißt der Song, den sie Dunham schließlich schickte. Und so heißt nun auch das Album, dbad Robyn nun selbst und mit Freunden wie Åhlund, Adam Bainbridge (Kindness), Joseph Mount (Metronomy), Mr. Tophat und Zhala produzierte. Es ist ein treffender Name, denn “Honey” ist musikalisch so zäh wie süß. Der einstige “Fembot” las Yuval Noah Hararis “Eine Kurze Geschichte der Menschheit” und schrieb dann “Human Being”, einen träumerisch vom Löffel tropfenden Popsong darüber, was es bedeutet, Mensch zu sein. Die ruhige Musik untermalt ihre Wandlung von der getriebenen Ich-Maschine zur gesundeten Erwachsenen. Bis auf wenige Ausnahmen finden sich auf dem Album keine streng auf den Refrain hingetakteten Hymnen mehr, dafür aber Beats, die träge wie das Leben vor sich hin mäandernden.
Robyns lyrisches Ich hat gelernt: Die durch “Daddy Issues” verursachten, ewig scheiternden Liebesgeschichten sind alles andere als heroisch. Wie ihre Musik, sagt sie, sei auch sie selbst viel softer geworden. Der Rest ist Wunden lecken: “I never gonna be broken hearted ever again”, heißt es in “Ever Again”, dem lurzweiligsten der neun Songs. Und in “Baby Forgive Me”, das sie als Disco-Version von Bruce Springsteens “Streets of Philadelphia” betrachtet, bittet sie ihr endlich würdiges Gegenüber um Vergebung. Irgendwo unter dem Beat hört man dazu Pfiffe und Jubelrufe: Der Tanzboden aus Robyns Vergangenheit, er ist immer noch da, aber es ist jetzt schon früher Morgen und die Sonne scheint. Das Drama der Nacht ist – vorerst – vorbei.
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